Wiedertäufer
Ich saß – leer war mein Blick, mutlos mein Sinn –
Am Küchentisch mit aufgestütztem Kinn
Den Blick zur überfüllten Gasse hin gerichtet,
In der ich ewig keine Seele mehr gesichtet.
Erst sog man Kinder leer: und weh, wie gern
Gaben‘s die Eltern zu, dem roten Wiedertäufer-Stern
Willfahrend, dem im Wahn sie sich verschworen,
Bis dialektisch ausgezehrt, seelisch verloren
Sie auch hinsanken. Ach, wie lang ist‘s her,
Und seither spiegeln ihre Körper sich nicht mehr,
Statt Herzblut pumpt Bitumen durch den Leib!
Untote schwärmen aus: Mann, Kind und Weib…
Hoch an der Zeit, endlich zu künden
Der revolutionären Wiedertäufer Sünden!
Die bohrend seelenlosen Opfer äffen mich!
Kein weiteres Vergehen dulde ich!
Schon drängeln sich vor meinem Küchenfenster,
Elf rot besternte, grünlich leuchtende Gespenster.
Sie laden ernst zu diskursiven Diskussionen,
Die mich mit kollektivem Glücksgefühl belohnen.
Dank solcher Phrasen fällt es nicht mehr schwer,
Zu sammeln mich zu transzendenter Gegenwehr,
Um Worte, die im Anfang waren, faktisch neu zu sagen
Und jenen damit stofflos Pflöcke einzuschlagen.
Denn das tut bitter not, vorweg! Dann will ich singen
Von wissend ahnendem, gefühltem Ringen
Um Gottes Wesen unserer Bewusstseinswelt,
Was Wiedertäufern schier das Hirn zerspellt.
Kaum höre ich, inbrünstig wahr, zu singen auf,
Schon rieseln draußen Untote zuhauf
Staubig zuboden, grün als Dünger neu geboren.
Die roten Wiedertäufer haben ihre Macht verloren!
© 2021 Alexander Hans Gusovius